Stellungnahme der SPD-Regionalfraktion zum Haushalt des Verbands Region Stuttgart für das Jahr 2020

Veröffentlicht am 23.10.2019 in Metropolregion

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit diesen Haushaltsberatungen nimmt die inhaltliche Arbeit Gestalt an der neuen Amtsperiode unserer Regionalversammlung Fahrt auf. Vor allem aber geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsansprüche dieser Versammlung. Allerdings sind die personellen Entscheidungen bei der Konstituierungnicht gerade harmonisch verlaufen.

Ich hoffe, dass dies nicht stilprägend sein wird. Wobei ich mir da allerdings nicht ganz sicher bin. Die letzten Regionalversammlungen haben ja – leider – gezeigt, dass auch direkt auf eine Person gerichtete Angriffe mit dem Ziel der Herabsetzung zum Reservoir der rhetorischen Fehlleistungen gehören.

Wobei der fraktionsübergreifende Antrag der politischen Mitte zur Hermann-Hesse-Bahn in die andere, eine positive Richtung markiert hat. Deshalb müssen derartige Anträge allerdings auch nicht die Regel werden. Für notwendige Kompromisse ist im Zuge von Beratungen immer noch genügend Zeit und Gelegenheit. 

Im Vordergrund, übrigens nicht erst seit einem Jahr, stehen die regionalen und kommunalen Aktivitäten hinsichtlich Klimawandel/CO2 Emissionen, die wir wollen. Diese können aber nicht unabhängig von gesetzlichen Regelungen des Bundes im Verkehr, in der Wirtschaft und bei Heizungen erreicht werden.  Man kann ja zum „Klimapaket“ der Bundesregierung stehen wie man will, aber dass gar nichts geschehen wird, trifft ja wohl auch nicht zu. Zumindest läuft das Gesetzgebungsverfahren, bei dem ja auch noch der Bundesrat mitreden wird.

Der Trainer des FC Bayern hat am vergangen Samstag folgende Weisheit von sich gegeben: Als Trainer machst Du nichts richtig und im Zweifel alles falsch.

 

Erneuerbare Energien / Windkraft

Bei der Windkraft stehen wir tatsächlich vor einem Scherbenhaufen, mit der Folge des Verlusts von Tausenden von Arbeitsplätzen.

2018 wurden in Baden-Württemberg 26 neue Windräder aufgestellt – im ersten Halbjahr 2019 war es ein Einziges. Momentan bewegt sich nichts mehr, vor allem kein Windrad. Regenerative Stromerzeugungen sind aber ausschlaggebend für die Klimapolitik, zumal der Strombedarf bei der Elektrifizierung des ÖPNV und des Individualverkehrs noch steigen wird. 

Trotz der Zunahme von Ladestationen bedarf es in Zukunft eines deutlich dichteren und leistungsfähigeren Netzes an Lademöglichkeiten Tankstellen für Wasserstoff, um die angestrebten Ziele der elektro- und wasserstoffbetriebenen Mobilität zu erreichen. Dies ist neben ökonomischen Aspekten eine bedingende Voraussetzung für Akzeptanz in der Bürgerschaft. 

Deshalb brauchen wir auch einen entsprechenden Bericht und sollten die Frage eines Förderprogramms zum schnelleren Ausbau prüfen. 

Der Bedarf an zusätzlicher Windenergie erfordert etwa 1500 Windräder der neuesten Generation. Die müssen nicht alle in Baden-Württemberg oder gar in der Region gebaut werden. Ob und wie die im Klimapaket enthaltene sog. Öffnungsklausel bei den Abstandsregelungen genutzt wird, bleibt abzuwarten. Und dann müssen auch im Naturschutzrecht Regeln definiert werden, um den Naturschutzbehörden klare Entscheidungskriterien mitzugeben. Denn manches Projekt wurde bei der Umsetzung in den Zuständigkeiten zerschlissen.

„Schließlich ist die größte Bedrohung für die heimische Flora und Fauna“, (auch für den Rotmilan), „der Klimawandel und nicht die Windenergie“. (Frank Peter, stellvertretender Direktor der Agora Energiewende, Süddeutsche Zeitung 21.10.19)

Darüber hinaus müssen wir bei den kommunalen Aktivitäten zur CO2-Minderung in den Städten ansetzen. Bausteine, Themen und Initiativen strukturiert zusammentragen und ein Austauschformat zwischen den Städten und Gemeinden organisieren. Ein solches Format wird angesichts der Bedeutung des Themas für den Klimawandel und den Erwartungen der Bürgerschaft an die Gebietskörperschaften dringend notwendig. 

Der Klimawandel wird auch verstärkt örtliche Folgen zeigen: z.B. bei Starkregen oder länger anhaltender Trockenheit oder „urbanen Hitzeinseln“. Die Region kann hierzu Informationen und planerische Anregungen geben. 

Für uns wird aber die Verkehrswende das zentrale Handlungsfeld bleiben, durch praktische Politik und planerische Vorgaben.

Mit der Verkehrswende läuft es nicht so wie im „Navi“: „Wenn möglich bitte wenden“. Also möglichst sofort um 180-Grad. Tatsächlich werden wir - zügig, aber nachvollziehbar, ein neues Verkehrsmodell brauchen. Deutlich weg von der Windschutzscheibenperspektive, hin zu mehr öffentlichem Verkehr. 

 

ÖPNV

Vor einigen Tagen hat uns Dr. Wurmthaler eine Zahl präsentiert, die mir so nicht bekannt war, die aber einen Blick auf die Bedeutung des S-Bahn-Verkehrs eröffnet:

40% der Fahrten im Eisenbahnverkehr in Baden-Württemberg werden von der S-Bahn in unserer Region erbracht. 

Nicht nur deshalb ist es sehr wohl berechtigt, dass wir uns über das Leistungsvermögen des Netzes nicht nur Gedanken, sondern wirklich Sorgen machen müssen. Es geht um Tangentiallinien und die Zulaufstrecken unseres Schienennetzes. Deshalb war auch der Beschluss des Landtags, dass sich das Landes-Verkehrsministerium deutlich mehr darum kümmern soll, also Druck machen soll, mindestens notwendig. 

Deshalb wollen wir, dass die Planungen für das „Nordkreuz“, T-Spange und die P-Option zügig oder wie es manchmal auch heißt: zeitnah vorangetrieben werden.   

Dabei sollen vertiefte Vorplanungen, Kostenschätzungen und mögliche Betriebsoptionen untersucht werden. Dazu gehört auch, dass die zukünftige, dauerhafte Nutzung der Panoramabahn genauer und mit dem Ziel verbindlicher Perspektiven dargestellt wird.

Gleiches gilt aus unserer Sicht für die Schusterbahn, die wir zu einem S-Bahn-Regelbetrieb ausbauen wollen. Dabei müssen insbesondere Entscheidungen über  Start- und Endpunkt der S-Bahn, Taktfrequenz und Bau möglicher weiterer Halte entlang der Schusterbahn herbeigeführt werden. 

Zu diesen Infrastrukturmaßnahmen gehört auch die Barrierefreiheit, und diese soll, soweit es in unserer Verantwortung möglich ist, so rasch als möglich hergestellt werden. Wir können, wenn wir bei diesem Thema, das für rund 20% unserer Fahrgäste von erheblicher Relevanz ist, nicht bis zur Mitte dieses Jahrhunderts warten.

Und dann gibt es noch einige Themen die im Tarifsystem anstehen:

Da ist zuerst das 365 € Ticket. Es ist ja inzwischen hinlänglich bekannt, dass Tarife sich auf das Verkehrsverhalten, sprich auf die Nutzung des ÖPNV sehr wohl auswirken, und zwar positiv. Wir sollten deshalb Gespräche insbesondere mit dem Land (nicht nur das bayerische Beispiel lässt grüßen, dort werden die erwarteten Mindereinnahmen zu 2/3 vom Freistaat übernommen, sondern eben auch Berlin und Brandenburg, im Hamburg fordert das die CDU, in ganz Hessen gilt es seit 2017/2018 für Schüler, Studierende, Auszubildende) und natürlich mit den Vertretern von Landkreisen, Landeshauptstadt Stuttgart führen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dieses Ticket, wenn es sein soll, auch stufenweise, einzuführen:  als tarifpolitischen Quantensprung. Und dabei auch klären, ob das Klimaschutzpaket der Bundesregierung Finanzierungs-möglichkeiten aufzeigt. Die Region Hannover will sich beim Bund als Modellregion für das 365 € Ticket bewerben.

Zuvor müssen allerdings noch Zwischenschritte eingelegt werden:

  1. Das Stuttgarter Modell des Sozialtickets soll auf die ganze Region übertragen werden.
  2. Eine Evaluation der VVS-Tarifreform für die ländlichen Räume soll erfolgen, mit dem Ziel, weitere Schritte für eine Stärkung des ÖPNV im ländlichen Raum zu ermöglichen.
  3. Wir sollten als Gesellschafter im VVS dafür werben, dass attraktive Stadttickets auch für Gemeinden unter 20.000 Einwohnern entwickelt werden.
  4. Dass wir die angedachte Tariferhöhung, die wohl im Frühjahr kommen soll, ablehnen, ist inzwischen bekannt. Die Tarife zuerst erhöhen, um dann wiederum günstigere Tarife einzuführen ist aus unserer Sicht in sich widersprüchlich.

 

Wirtschaftsförderung

Eine wesentliche Aufgabe, und mit zunehmender Bedeutung, ist die regionale Wirtschaftsförderung. Dies wird an den Beteiligungen deutlich, die bei der WRS „geparkt“ sind: die IBA 2027 GmbH, Gigabit Region Stuttgart GmbH, sind zu unseren Beteiligungen hinzugekommen und auch die steigenden Aufwendungen von rund 10 Mio € (2015) auf rd. 14 Mio € (2020) 

Und dabei hat sie Aufgabenfelder, die zumindest auf den ersten Blick in einem gewissen Spannungsfeld.

Zum einen sind z.B. mit der Europaarbeit – zusammen mit dem Verband – die „großen“ Themen wie Interessenvertretung und europäische Netzwerke oder dem gemeinsamen Strukturbericht mit den entsprechenden Handlungsempfehlungen angesprochen. Andererseits muss diese Arbeit auf der kommunalen Ebene „ankommen“. In diesem Zusammenhang steht deshalb unser Antrag, dass die WRS eine Informations- und Kommunikationsplattform entwickelt, die den Austausch und die interkommunale Zusammenarbeit zu Projekten der Wirtschaftsförderung unterstützt. „Das bedeutet für die WRS, dass die kommunalen Wirtschaftsförderer noch konsequenter angesprochen und noch gezielter informiert werden.“ Zitat Ende: Seite 6 2. Absatz, 1.Satz der Vorlage 259/2019vom 3.7.19

Dazu würde dann auch gehören, dass die Kommunen bei ihren Aktivitäten der Gründerförderung, beraten und unterstützt werden. Ein weiterer Beitrag, die Wirtschaftsförderung in die Region zu tragen, wäre es dann auch Veranstaltungsorte und -formate in den Kommunen durchzuführen.

 

Wohnungsbau

Mit dem erforderlichen Wohnungsbau stellt sich natürlich die Frage, wie die Flächen dafür bereitgestellt werden können. 

Und zwar im Bestand, d.h. durch Nachverdichtung. Wobei auch die Nachverdichtung, in manchen Kreisen auch als Allheilmittel für ein „Nullwachstum“ beim sog. Flächenverbrauch gepriesen, auch an Grenzen kommt, denn Nachverdichtung verändert den Gebietscharakter und kann sehr wohl mit einer Überlastung der Infrastrukturen verbunden sein. Deshalb werden wir um neue, in unserem Fall regionalplanerisch bereits definierten Flächen nicht herumkommen. Ein tragbarer Dichtewert muss dann mit vorhandenen oder zu schaffenden Freiräumen verbunden werden. Dass hier nicht sinnlosem „Flächenfraß“ das Wort geredet werden soll, ist selbstverständlich und im Übrigen bereits Praxis. Herr Kiwitt hat darauf hingewiesen: Die zusätzlich versiegelten Flächen für die 100.000 Einwohner, die seit in Inkrafttreten des Regionalplans 2009 in die Region zugwandert sind, wurden „pro Kopf“ 200 m² benötigt, im übrigen Land war es das 6-Fache.

Entscheidend für die Region wird es sein, Wohnraum zu tragbaren Belastungen zu schaffen, für die Bewohner, die Umwelt, d.h. Freiräume und die Infrastruktur.

Trotz dramatischer Probleme, ökonomisch und /oder sozial benachteiligte Familien und Personen mit Wohnraum zu versorgen, konzentriert sich die Erstellung kostengünstiger Wohnungsangebote auf wenige Städte der Region. Zur Versachlichung der Diskussionen wäre eine strukturierte Berichterstattung hilfreich. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der thematischen Fokussierung der IBA 2027 gewinnt das Thema an Bedeutung. Eine IBA nur für wohlhabende Bevölkerungsteile kann nicht das Anliegen von Verband und den Städten sein. 

Und dazu gehört auch ein separater Bericht über die konkreten Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Wohnen seit dem letzten Zwischenbericht (PLA 285/18). Darauf aufbauend soll über die weiteren Schritte und Vorhaben für 2020 im Einzelnen berichtet werden. 

Schlussbemerkung: Unsere Gesellschaft verändert sich. Viele alte Sicherheiten tragen nicht mehr. Die Zeichen stehen auf Veränderung. Es geht darum, diese Veränderungen zu gestalten und nicht nur hinzunehmen. Wichtige Ansätze habe ich für unsere Fraktion heute zusammengefasst.

Ich danke allen, die an diesem Haushaltsplan gearbeitet haben und natürlich allen, die sich, sei es hauptberuflich, sei es ehrenamtlich, für unsere Region engagiert haben.

Und ich hoffe auf konstruktive Beratungen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Harald Raß

Fraktionsvorsitzender

 

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